Dass Chris ihr Brautkleid verkaufen will, brachte mich ins Grübeln. Okay, es ist nur ihr Zweit- bzw. Drittkleid, denn ihr Liebster hatte da ja ganz besondere Wünsche… Aber trotzdem. Was heißt das für mich?
Mein Kleid hängt seit über einem Jahr im Keller. Hätte ich meinen Mann mitbestimmen lassen, wäre ich wohl in einem geliehenen Kleid zu unserer Hochzeit erschienen.
„Du trägst es doch nur einmal!“ betonte er immer wieder, in seinem Blick die nackte Angst, ich würde einen Fummel für einen mittleren bis hohen vierstelligen Betrag erstehen und eine Privatinsolvenz in unsere Ehe mit einbringen.
Natürlich kaufte ich ein Kleid. Finanziell blieb ich unbedenkliches Heiratsmaterial. Die ersten Wochen nach der Hochzeit hing das gute Stück zum leicht wehmütigen Anschmachten in unserem Schlafzimmer, dann wanderte es einige Etagen tiefer in den Keller. Der Mann ließ das selbstverständlich nicht unkommentiert.
„Was machen wir denn mit deinem Kleid?“ lautete jetzt seine Frage.
„Nichts“, antwortete ich sparsam. „Es hängt da doch sehr gut, neben deinem Taucheranzug. Wann hast du den eigentlich das letzte Mal getragen?“ 1:0 für mich, verbales K.o. in der ersten Runde.
Es ist ja nicht so, dass ich eine Vivienne Westwood in unserem unterirdischen Abstellraum sträflich verstauben lasse. Würde ich das Kleid auf den Markt werfen, könnten wir von dem Erlös vielleicht einmal sehr schön essen gehen. Im Tausch gegen ein unersetzbares Erinnerungsstück? Auf keinen Fall.
Ich wäre vor Freude ausgerastet, hätten meine Großmütter für mich ihre Hochzeitskleider von damals vom Dachboden geholt, damit ich mich in den alten Stoff wickeln und darin vor dem Spiegel drehen kann, an der Aura des vergangenen Jahrhunderts schnuppernd. Aber das Hochzeits-Outfit meiner Großeltern – das ich übrigens absolut großartig finde – war geliehen. Damals hatten sie ja nix! Verlobungsringe gab es im Tausch gegen einen Sack Kartoffeln. Wunderbare Geschichte, aber leider kein Kleid.
Natürlich erwarte ich nicht, dass irgendwann eine Tochter oder Enkelin begeistert mein kellerduftgetränktes Kleid in die Arme schließen und verzückt: „Wow! Darf ich das bitte tragen?!“ kreischen wird. Aber ich werde mehr zeigen können als ein paar Fotos, etwas zum Anfassen. Und zum Verschenken. Die Vorstellung, dass sich in vielen, vielen Jahren jemand aus diesem Stoff Blüten für den Brautstrauß, ein Einstecktuch für den Bräutigam oder Minikleidchen für die Blumenmädchen nähen lassen möchte, ist mir mehr wert als ein paar Euro auf meinem Konto.
So hätte ich es nämlich gern gemacht, hätten in meiner Familie antike Brautkleider auf einen solchen Auftritt gewartet. Ein Stückchen Stoff von der Hochzeit meiner Großeltern, deren Ehe seit 65 Jahren hält. Einen schöneren Glücksbringer kann ich mir nicht vorstellen.