Eine unter Brautpaaren nicht selten anzutreffende Spezies blieb hier skandalöserweise bisher unerwähnt – das muss ich heute unbedingt ändern.
Die Rede ist vom männlichen Verlobten, der von plötzlicher Taubstummtheit befallen wird, sobald von den als nächstes anstehenden Bastelprojekten seiner besseren Hälfte die Rede ist – und der sich zu keinerlei Kompromissen bereit zeigt, was die Top-Themen seiner eigenen Prioritätenliste betrifft. Im Fachjargon bezeichnet man ihn korrekt als Groomzilla.
Konkret: Wimpelkette in den Hochzeitsfarben, Cookies mit den Initialen des Brautpaars, Cakepops, Candybar, Lampions – alles Themen, die er mit einem augenrollenden „Frauen!“ oder auch „Wer braucht denn sowas?“ quittiert, gern gefolgt von „Schatz, entspann dich mal.“ Und Schatz fragt sich: Übertreibe ich es gerade ganz eventuell? Hat Bridezilla das Kommando übernommen?
Nur die Ruhe. Es wird der Moment kommen, in dem das Blatt sich wendet. Vielleicht, wenn es um die Wahl des Hochzeitsautos geht, mit dem er seinen großen Auftritt vor der Kirche plant. Von dort ist es nicht weit zu der Frage, ob Socken und Krawatte auf die Lackierung abgestimmt sein müssen und ob er den Wagen von links oder von rechts auf den Vorplatz lenken wird – je nach Route und Verkehrsaufkommen müsste die Trauung dann eventuell eine halbe Stunde nach hinten verschoben werden. Dafür hat doch jede Braut Verständnis!
Auch ein weites Groomzilla-Minenfeld: die Bar. Welches Bier steht auf der Karte, aus der Flasche oder vom Fass? Wer macht die Drinks? (Auf keinen Fall Caipis, ogott, das wäre sowas von Neunziger!) Die Minze muss geschlagen werden und nicht gestößelt, unterschiedliche Gläser für Longdrinks und Highballs, na klar, und wehe, es wird der falsche Gin ausgeschenkt. Limette oder Gurke – wer sowas fragt, der kann doch keine Ahnung haben! Dann lieber fünfhundert Euro mehr für einen Top-Barkeeper ausgeben, mal ehrlich. Das wird sonst keine gute Party.
Und außerdem: die Musik. Wie wäre es mit einer Probesession mit dem DJ und zumindest einer repräsentativen Auswahl an Gästen, in der Location zur ungefähren Uhrzeit nach dem Eröffnungstanz, gegen 22:06 Uhr. Nur um einmal alle Eventualitäten durchzuspielen: Nach dem Hochzeitswalzer kommt keine Stimmung auf, Tante Elfriede wünscht sich „Du hast mich tausendmal belogen“ von Andrea Berg, plötzlich läuft irgendwas Furchtbares von den Backstreet Boys, niemand tanzt, an der Bar bilden sich Schlangen, jemand fragt nach einer Runde Caipis – der schlimmste Alptraum eines Groomzillas. Das darf nicht passieren! Koste es, was es wolle.
Die erfahrene Bridezilla lächelt an dieser Stelle milde. Sie weiß, was zu tun ist. Erstens: eine Szene machen. Dem Kerl verklickern, dass seine Ideen völlig verrückt, übertrieben und viel zu teuer sind. Zweitens: die vorübergehende Funkstille aushalten. Drittens: nachverhandeln.
Es kostet das Doppelte, den DJ-Superstar für den Samstagabend aus seinem Szeneclub zu locken, aber sie würde ihrem Liebsten damit einen echten Herzenswunsch erfüllen? Nun, das versteht sie natürlich. So wie er ja sicher auch verstehen wird, dass ein Kuchenbuffet mit Oma Gertrudes Nussecken die Frage aufwerfen würde, wann der Heizdecken-Verkauf startet – und eine Candybar mit Braut- und Bräutigam-Cakepops einfach viel besser zum Gesamtkonzept passt.
Und viertens: Groomzilla wird nicken.
Kennt Ihr diese Spezies auch?P. S.: Sorry für den Ohrwurm.
Foto: Sven Maier, Susi + Strolch Fotografie