Standesamt. Kontostand. Kleidergröße. Lieferfrist. Absatzhöhe. Hinter jedem Wort steckt eine kleine bis alles in Frage stellende Krise während der Hochzeitsplanung. Aber: nichts kann den Kampfgeist der stresserprobten Braut so sehr erschüttern wie die eine, die große Hürde, die so gut wie jede Entscheidung auf dem Weg zum großen Tag überwinden muss. Sie heißt: der Mann.
Der Mann hat mit dem erfolgreich (er würde sagen: glorreich) gemeisterten Heiratsantrag sein Adrenalin erstmal verschossen und kann sich endlich entspannt zurücklehnen. Bei der Jagd nach dem Verlobungsring und dem Ausbaldowern von Ort, Zeit und Text für DIE eine Frage hat er mehrere Hemden durchgeschwitzt und Emotionen durchgemacht, die er sonst allerhöchstens aus dem Abstiegskampf seiner Lieblingsmannschaft kennt.
Jetzt funkelt der Ring am Finger seiner Liebsten. Weiter als bis zum Kaltgetränk danach hat er das Ganze nicht geplant. Sie hat Ja gesagt, YESSS!! Und nu? Ja wie, und nu? Jetzt wird geheiratet, nächstes Jahr vielleicht, im Sommer wäre ganz schön, aber ist doch noch eeeewig hin. Entspannt euch mal.
Das Problem: er hatte sich die Zeit nach dem Antrag so vorgestellt, dass er von allen Seiten nichts als Dauer-Schulterklopfen erntet und die Liebste ihn noch verliebter anhimmelt als sowieso immer schon. Weil er eben der Größte ist. Und sie ihn deswegen ja auch unbedingt heiraten will. Auf diese Frage hatte sie schon so lange gewartet. Und jetzt schwebt sie vor Glück und erfüllt ihm einfach jeden Wunsch, bevor er ihn überhaupt ausspricht.
Womit er nicht gerechnet hat: dass die Liebste jeden Tag neue Hochzeitsblogs entdeckt und ihn mit Ideen bombardiert. Dass Hochzeitslocations, Fotografen und was man (angeblich) sonst so braucht nicht Monate, sondern Jahre im Voraus ausgebucht sind und er sich am besten jetzt schon entscheiden sollte, ob er lieber Buffet oder Menu möchte.
Seine Liebste setzt sich mit der, sagen wir: begrenzten Kooperationsbereitschaft der hiesigen Standesämter auseinander, geht sich kurz die hektischen Flecken abpudern und surft auf Wellen namens Panik, Perfektionismus und Pinterest von Plan A zu Plan B, C und D und wieder zurück. Sie grübelt, telefoniert, verhandelt und jongliert mit den Angeboten wie am ersten Tag Sommerschlussverkauf bei ZARA. Schnell sein ist essentiell.
Vollgepumpt mit Adrenalin präsentiert sie dem Zukünftigen ihren Vorschlag. Schickt ihm ne E-Mail ins Büro, fünf Absätze Text, acht pdf-Dateien im Anhang. Alles was ihr noch fehlt, ist eine Entscheidung.
Er antwortet nicht. Geht auch nicht ans Telefon. Hatte er was von irgendwelchen Meetings gesagt? Das kann doch nicht so lange dauern. Bei WhatsApp war er ja auch grad noch online.
Sie druckt alles aus und legt die Stapel abends auf den Couchtisch.
„Schatz, hast du meine Mail gelesen?“
„Welche Mail?“
„Ich hab dir was geschickt wegen der Hochzeit.“
„Ich hab nichts bekommen.“
(Teile des Gesprächs gekürzt.)
„Ach, die meintest du. Ich dachte, das ist Spam.“
Kein Streit jetzt. Das Ziel ist eine Entscheidung! Sie legt ihm die ausgedruckten Angebote vor und versucht, ihn möglichst wenig zu beeinflussen, um ihm das Gefühl zu geben, ER würde die Entscheidung treffen.
„Kann ich mir das später ansehen? Das eilt doch jetzt nicht.“
Sie versucht, ruhig zu bleiben. Klappt aber nicht. Stattdessen explodiert sie.
„Wir können das auch ganz lassen mit dieser blöden Scheiß-Hochzeit!! Ich mache mir die ganze Mühe und du…“
Er versteht nicht, was los ist. Nicht dass sie gleich noch anfängt zu heulen… Ihre Augen glitzern verdächtig.
„Ich weiß nicht, warum du solchen Stress machst. Ich lasse mir doch nicht von irgendwelchen Dienstleistern vorschreiben, wann ich mich zu entscheiden habe. Dann sind die eben raus, wir finden schon noch was!“
Kein guter Abend für eine Entscheidung. Sie würde die Papierstapel gern dramatisch aus dem Fenster schmeißen, aber die Nachbarn sitzen gerade auf dem Balkon.
Männer. Hat dieses Verhalten etwas mit der Steinzeit zu tun, als die Männchen fürs nackte Überleben ihrer Sippe zuständig waren und jeden potentiellen Eindringling rein prophylaktisch mit großer Geste in die Flucht schlugen, um beim verdienten ruhigen Abend am Lagerfeuer auf keinen Fall gestört zu werden? Oder liegt es an seinem Job, in dem das tägliche Machtgerangel oberste Priorität hat und kooperatives Kopfnicken bedeuten würde, beim Schwanzvergleich den Kürzeren zu ziehen?
Gut, das hilft uns jetzt auch nicht weiter. Was meistens ganz gut funktioniert: klare Ansagen machen, ohne Druck aufzubauen. Männer mögen das.
„Schatz, ich habe für Samstag einen Termin mit dieser super Fotografin gemacht. Möchtest du dabei sein?“
„Die Location an der Alster, über die wir gesprochen hatten, hat nächstes Jahr im Juni noch Termine frei. Wollen wir da am Wochenende mal einen Kaffee trinken gehen?“
Er muss nur noch Ja sagen. Und das hat beim Antrag umgekehrt doch auch ganz gut geklappt! Fotocredit: Sven Maier (Susi + Strolch Fotografie)